Clara Zetkin

 

Brief an den antifaschistischen Einheitskongreß in Berlin

(12. Juli 1932)


Internationale Presse-Korrespondenz (Berlin), 1932, Nr.57, S.1797. [1]
Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED (Hrg.): Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung, Bd.3, Berlin 1966, S.582.
Kopiert mit Dank von der verschwundenen Webseite Marxistische Bubliothek.
Transkription und HTML-Markierung: Einde O’Callaghan für das Marxists’ Internet Archive.


Teure Freundinnen und Freunde!
Genossinnen und Genossen!

Eurer Tagung die allerherzlichsten Wünsche für vollen, sich weit auswirkenden Erfolg. Sie ist ein erster wichtiger, beispielgebender Schritt zur Erfüllung des Dringlichkeitsgebotes der historischen Stunde; die Ausbildung einer erkenntnisklaren, geschlossenen und entschlossenen großen Einheitsfront unter zielbewußter revolutionärer Führung im Kampfe gegen den aussaugenden Kapitalismus, den vergewaltigenden Faschismus und den mörderischen Imperialismus. Diese Einheitsfront muß über die Gesamtheit des Proletariats hinausreichen und auch die Angestellten, Handwerker, Kleingewerbetreibenden, kleinen Bauern und nicht zuletzt auch die Intellektuellen aller Schichten erfassen, von der Maschinenschreiberin im Betriebe, in der öffentlichen Verwaltung bis zum Hochschullehrer.

Der nackte Hunger ist das Schicksal der Arbeitslosen, der Erwerbslosen, für die die jämmerliche Armenversorgung in ein Nichts des sozialen Beistands verwandelt wird, den das Proletariat in opferreichen Kämpfen errungen hat und dessen Kosten die ausgeplünderten Werktätigen allein bestreiten. Härteste Entbehrungen und vorzeitige Vernichtung der Gesundheit, des Lebens durch übermäßige Auspressung der Arbeitskraft mittels der kapitalistischen Rationalisierung ist das Los der „glücklich“ Beschäftigten. Die blutigste Rechtsverweigerung knebelt den Verteidigungswillen der breitesten Massen. Der nackte Faschismus soll das kämpfende Leben der vom Kapitalismus Ausgesogenen und Niedergetretenen restlos zerstampfen. Noch ehe die erdrückenden Lasten und Leiden des Weltkrieges gestillt sind, werden neue imperialistische Verbrechen vorbereitet, die darauf abzielen, den Sowjetstaat des sozialistischen Aufbaues abzuwürgen und die Macht, die Existenz des sterbenden Kapitalismus in der ganzen Welt zu verewigen. Dem ungeheuren Unheil, das die werktätigen Massen peinigt und in noch höherem Maße bedroht, kann nur durch eine Macht gewehrt werden: durch den rücksichtslosen Kampf aller Ausgewucherten und Unterdrückten gegen alle Auswucherer und Unterdrücker, der vielmillionenköpfigen Klasse der Habenichtse und Wenigbesitzenden gegen die Klassendiktatur der winzigen Minderheit Großbesitzender, die sich zum blutigen Faschismus steigert.


Anmerkung

1. Der Brief wurde am 12. Juli 1932 veröffentlicht.

 


Last updated 20.7.2008