Jakob Stern


Gott? Gottglaube oder Atheismus?


Übergang zum Monotheismus (Eingottglaube)

Die Verwandlung des Polytheismus zum Monotheismus (Monotheismus, vom griechischen mónos „allein“, „einzig“) vollzog sich erst mit dem Auftauchen der Weltreiche, als ein mächtiges Reich nach dem anderen entstand, das die übrigen Staaten der damals bekannten Welt sich unterwarf. Ähnlich wie in der Heiteren Legende von Abraham (der selbst eine bloß sagenhafte Figur) dieser alle Götterbilder seines Vaters zerschlug, mit Ausnahme des größten, dem er einen Prügel in die Hand gab und dann seinem Vater vorflunkerte dieser habe seine Kollegen zertrümmert – oder wie in der Geschichte Frankreichs und anderer Länder ein Feudalherr über die anderen emporwuchs und sie schließlich mediatisierte und sich zum absoluten König erhob – so verschlang der eine von den vielen, vielzuvielen (mit Nietzsche zu reden) seine Kollegen und schwang sich zum Autokraten des Weltalls empor – die phantastische Widerspiegelung der Vorgänge auf dem politischen Welttheater. Nicht die wachsende Einsicht in die Zusammenhänge und Einheitlichkeit der Natur erzeugte den aus den ethnischen (auf die Völker bezüglichen, vom griechischen éthnos „Volk“) Vorgängen wuchs er heraus.

Widerspricht aber dem nicht die bekannte Tatsache, daß der Monotheismus aus dem Lande stammt, das nie die Rolle eines Weltreichs spielte, vielmehr ein Spielball der Weltreiche gewesen ist: Palästina? – Nur scheinbar.

Zunächst ist hervorzuheben, daß der vermeintliche Monotheismus in den älteren Partien der hebräischen Literatur (des sog. Alten Testaments) gar kein eigentlicher Monotheismus ist, sondern dessen Vorstufe, was man neuerdings Henotheismus nennt (vom griechischen hen „das eine“), d.h. der Glaube an einen höchsten Gott unter vielen anderen. Ein solcher war aber, wie namentlich die neuesten Ausgrabungen bestätigen, lange zuvor in den alten Kulturreichen Babylon und Ägypten heimisch.

Dazu kommt noch, daß die Betonung der Einzigkeit Jahves (des Hebräergottes und christlichen Gottvaters) in vielen Stellen von Juden und Christen fälschlich monotheistisch gedeutet wird. Bekanntlich trat nach dem Tode des Königs Salomo ein Schisma ein, indem der größte Teil des Volkes, der sich um den Stamm Josef gruppierte – zwischen welchem und dem nächstgrößten Stamm Juda von altersher eine Rivalität um die Hegemonie (Vorherrschaft) bestand – von der Dynastie David abfiel und einen selbständigen Staat, das Nordreich, bildete, mit Jerobeam als König, der schon gegen Salomo die Fahne der Rebellion entrollt hatte. Dem Sohne Salomos blieb nur das kleine südliche Reich mit dem Stamm Juda, dem die Dynastie David entsprossen war. Jener Jerobeam stützte seine Politik auf eine Allianz mit der Großmacht Ägypten, wo er sich lange als Flüchtling aufgehalten hatte und gab darum auch dem Kultus seines neuen Reiches einen ägyptischen Zuschnitt, indem er den Apisdienst (der heilige Stier Ägyptens) mit entsprechendem Zubehör einführte. Gegen diesen nun richten sich viele monotheistisch klingende, aus Juda und von Anhängern der Dynastie David herrührende Stellen. Der Anfang des Dekalogs (Zehngebote) z.B., der einschärft: „Ich, Jahve, bin dein Gott, der dich aus dem Lande Ägypten geführt hat, aus dem Sklavenhaus, du sollst keine andere Götter neben mir haben. Du sollst dir kein Bildnis machen, kein Abbild“ usw. richtet seine Spitze ganz zweifellos gegen den ägyptischen Stierdienst im Nordreiche, nicht sowohl im theologischen, als vielmehr im politisch-dynastischen Interesse. [1]

Endlich aber und hauptsächlich kommt hinzu ein drittes, was auf eine theistische Spezialität führt, die allen Mythologen und Theologen bisher entging, nämlich die Klassengötter resp. die Götter der Volksklassen.


Anmerkung des Verfassers

1. Näheres in meiner pseudonymen Schrift Ägypten und Palästina, Zürich 1881.


Zuletzt aktualisiert am 9.8.2008