Karl Marx

Urtext „Zur Kritik“

 

[2. Das Geld als Zahlungsmittel]

...||1| erhält. Alle Besonderheit der Beziehung zwischen beiden ist ausgelöscht (es handelt sich in dem Verhältnis nur um den Tauschwert als solchen: um das allgemeine Produkt der gesellschaftlichen Zirkulation), und ebenso alle politischen, patriarchalischen und sonstigen Verhältnisse, die aus der Besonderheit der Beziehung hervorgehn. Beide verhalten sich zueinander als abstrakt gesellschaftliche Personen, die sich einander gegenüber nur den Tauschwert als solchen repräsentieren. Geld ist der einzige Nexus rerum zwischen ihnen geworden, Geld sans phrase. Der Bauer tritt dem Gutsbesitzer nicht mehr als Bauer mit seinem ländlichen Produkt und seiner ländlichen Arbeit gegenüber, sondern als Geldbesitzer; da durch den Verkauf der unmittelbare Gebrauchswert entäußert ist, durch die Vermittlung des gesellschaftlichen Prozesses, die indifferente Form angenommen hat. So andrerseits steht der Gutsbesitzer zu ihm nicht mehr in einem Verhältnis als dem in besonderen Lebensbedingungen produzierenden ungeschickten Individuum, sondern einem, dessen Produkt, der verselbstständigte Tauschwert, das allgemeine Äquivalent, Geld sich von dem Produkt keines andren unterscheidet. So verschwindet der gemütliche Schein, der in der frühren Form die Transaktion umhüllte. Die absolute Monarchie, selbst schon Produkt der Entwicklung des bürgerlichen Reichtums zu einer mit den alten Feudalverhältnissen unverträglichen Stufe, bedarf entsprechend der gleichförmigen allgemeinen Macht, die sie fähig sein muß auf allen Punkten der Peripherie auszuüben, als des materiellen Hebels dieser Macht des allgemeinen Äquivalents, des Reichtums in seiner stets schlagfertigen Form, worin er durchaus unabhängig ist von besondren lokalen, natürlichen, individuellen Bezi[ehun]gen. Sie bedarf des Reichtums in der Form des Geldes. Ein System von Naturalleistungen und Naturallieferungen gibt, dem besondren Charakter derselben entsprechend, auch ihrer Benutzung den Charakter der Besonderung. Es ist nur das Geld, das unmittelbar in jeden besondren Gebrauchswert umwandelbar ist. Die absolute Monarchie ist daher werktätig in der Verwandlung des Geldes in das allgemeine Zahlungsmittel. Diese ist nur durchzusetzen durch erzwungne Zirkulation, die die Produkte unter ihrem Wert zirkulieren macht. Für sie ist die Verwandlung aller <874> Steuern in Geldsteuern Lebensfrage. Während daher auf einer frühren Stufe die Verwandlung der Leistungen in Geldleistungen als ebensoviele Abstreifungen persönlicher Abhängigkeitsverhältnisse erscheinen, als Siege der bürgerlichen Gesellschaft, die sich mit barem Geld loskauft von hemmenden Fesseln – ein Prozeß, der andrerseits von romantischer Seite als Substitution harter und gemütloser Geldverhältnisse an der Stelle bunt angestrichner Bindemittel der Menschheit erscheint – ist es dagegen in der Epoche der aufkommenden absoluten Monarchie, deren Finanzkunst in der gewaltsamen Verwandlung der Waren in Geld besteht, daß das Geld von den bürgerlichen Ökonomen selbst angegriffen wird als der imaginäre Reichtum, dem der natürliche Reichtum gewaltsam geopfert wird. Während daher z. B. Petty im Geld als Materie der Schatzbildung in der Tat nur den allgemeinen tatkräftigen Bereicherungstrieb der jugendlichen bürgerlichen Gesellschaft in England feiert, denunziert Boisguillebert unter Ludwig XIV. Geld als den allgemeinen Fluch, der die Entwicklung der wirklichen Produktionsquellen des Reichtums versiechen macht, und mit dessen Entthronung allein die Welt der Waren, der wirkliche Reichtum und der allgemeine Genuß des- selben in sein gutes altes Recht eingesetzt werden kann. Er konnte noch nicht begreifen, daß dieselbe schwarze Finanzkunst, die Menschen und Waren in die alchymistische Retorte warf, um Gold zu machen, gleichzeitig alle die bürgerliche Produktionsweise hemmenden Verhältnisse und Illusionen verdunsten ließ, um einfache Geldverhältnisse, gemeine Tauschwertverhältnisse als Niederschlag zurückzubehalten.

„In der Feudalzeit war bare Zahlung nicht der einzige ... Nexus zwischen dem Mensch[en] und dem Menschen. Nicht als Käufer und Verkäufer allein,... sondern vielsinnig, als Soldat und Hauptmann,... als loyaler Untertan und Herr usw. bezogen sich der Untere und der Höhere aufeinander. Mit dem schließlichen Triumph des Geldes trat eine veränderte Zeit ein.“ (Th. Carlyle. „On Chartism“. London 1840, p. 58.)

Das Geld ist „unpersönliches“ Eigentum. In ihm kann ich die allgemeine gesellschaftliche Macht und den allgemeinen gesellschaftlichen Zusammenhang, die gesellschaftliche Substanz in der Tasche mit mir herumtragen. Das Geld gibt die gesellschaftliche Macht als Ding in die Hand der Privatperson, die als solche diese Macht übt. Der gesellschaftliche Zusammenhang, Stoffwechsel selbst erscheint in ihm als etwas ganz äußerliches, das in keiner individuellen Beziehung zu seinem Besitzer steht, und daher ebenso die Macht, die er ausübt, als etwas ganz Zufälliges, ihm äußerliches erscheinen lässt.

<875>||2| Ohne weiter vorzugreifen, ist soviel klar: Zeitkäufe erhalten 2 eine außerordentliche Ausdehnung mit dem Kreditwesen. In dem Verhältnis, wie das Kreditwesen sich entwickelt, also die auf den Tauschwert gegründete Produktion, wird die Rolle, die das Geld als Zahlungsmittel spielt, an Umfang gewinnen gegen die Rolle, die es als Zirkulationsmittel, als Agent des Kaufs und Verkaufs spielt. In Ländern von entwickelter moderner Produktionsweise, daher entwickeltem Kreditwesen, figuriert in der Tat das Geld als Münze beinahe ausschließlich im Detailhandel und dem. Kleinhandel zwischen Produzenten und Konsumenten, während es in der Sphäre der Großen Handelstransaktionen beinahe ausschließlich in der Form des allgemeinen Zahlungsmittels erscheint. Soweit die Zahlungen ausgeglichen werden, erscheint das Geld als verschwindende Form, bloßes ideelles, vorgestelltes Maß der ausgetauschten Wertgrößen. Seine leibliche Intervention beschränkt sich auf Saldierung der relativ unbedeutenden Bilanzen(1) Die Entwicklung des Geldes als allgemeines Zahlungsmittel geht Hand in Hand mit der Entwicklung einer höheren, vermittelten, in sich zurückgebognen, selbst schon unter gesellschaft-<876>liche Kontrolle genommnen Zirkulation, worin die ausschließliche Wichtigkeit, die es auf Grundlage der einfachen metallischen Zirkulation, z.B. in der eigentlichen Schatzbildung besitzt, aufgehoben ist. Werden aber nun durch plötzliche Krediterschütterungen die Ausgleichungen der Zahlungen in ihrem Flusse unterbrochen, der Mechanismus der Zahlungen, so ist plötzlich das Geld erheischt als wirkliches allgemeines Zahlungsmittel und die Forderung gestellt, daß der Reichtum seinem ganzen Umfang nach doppelt existiere, das einemal als Ware, das andremal als Geld, so daß sich diese beiden Existenzweisen deckten. In solchen Momenten der Krisen erscheint Geld als der ausschließliche Reichtum, der sich als solcher nicht, wie im Monetärsystem etwa, in der bloß vorgestellten, sondern in der aktiven Depreziation alles wirklichen stofflichen Reichtums manifestiert. Der Welt der Waren gegenüber existiert der Wert nur noch in seiner adäquaten ausschließlichen Form als Geld. Die weitre Entwicklung dieses Moments gehört nicht hierher. Was aber hierher gehört ist, daß in den Momenten eigentlicher Geldkrisen ein der Entwicklung des Geldes als allgemeines Zahlungsmittel immanenter Widerspruch erscheint. Es ist nicht als Maß, daß das Geld in solchen Krisen erheischt wird, denn als solches ist sein leibliches Vorhandensein gleichgültig; es ist auch nicht als Münze, denn es figuriert nicht als Münze in den Zahlungen; sondern es ist als verselbstständigter Tauschwert, dinglich vorhandnes allgemeines Äquivalent, Materiatur des abstrakten Reichtums, kurz ganz in der Form, worin es Gegenstand der eigentlichen Schatzbildung ist, als Geld. Seine Entwicklung als allgemeines Zahlungsmittel hüllt den Widerspruch ein, daß der Tauschwert von seiner Existenzweise als Geld unabhängige Formen angenommen hat, andrerseits seine Existenzweise als Geld grade als definitive und einzig adäquate gesetzt ist.

Bei dem Geld als Zahlungsmittel, infolge der Ausgleichung der Zahlungen, ihrem Sichaufheben als positive und negative Größen, kann es als die nur ideelle Form der Waren erscheinen, wie es der Fall mit ihm als Maß ist, und wie es in der Preisgebung funk-<877>tioniert. Die Kollision kömmt daher, daß es gegen die Verabredung, die allgemeine Unterstellung des modernen Handels, plötzlich, so oft der Mechanismus dieser Ausgleichungen und das Kreditsystem, worauf er zum Teil beruht, gestört wird, in seiner reellen Form präsent sein und präs[en]tiert werden soll.

Das Gesetz, daß die Masse des zirkulierenden Geldes bestimmt ist durch den Gesamtpreis der zirkulierenden Waren, jetzt ergänzt: durch den Gesamtpreis der in einer gegebenen Epoche fälligen Zahlungen, und die Ökonomie derselben.

||3| Wir haben gesehn, daß der Wechsel im Wert des Goldes und Silbers ihre Funktion als Maß der Werte, als Rechengeld nicht affiziert. Dieser Wertwechsel wird dagegen entscheidend wichtig für das Geld in seiner Funktion als Zahlungsmittel, Was zu zahlen ist, ist ein bestimmtes Quantum Gold oder Silber, worin, zur Zeit des Kontraktabschlusses ein bestimmter Wert, d. h. bestimmte Arbeitszeit vergegenständlicht war. Gold und Silber wechseln aber, wie alle andren Waren ihre Wertgröße mit der zu ihrer Produktion erheischten Arbeitszeit, fallen oder steigen, wie sie fällt oder steigt. Es ist daher möglich, da die Realisation des Verkaufs von Seiten des Käufers der Zeit nach erst später erfolgt, als die Veräußrung der verkauften Ware, daß dieselbe[n] Quantität[en] Gold oder Silber verschiednen, größren oder kleinren Wert enthalten, als zur Zeit des Abschlusses des Kontrakts, Ihre spezifische Qualität als Geld stets realisiertes und realisierbares allgemeines Äquivalent zu sein, stets austauschbar zu sein gegen alle Waren im Verhältnis zu ihrem eignen Wert, erhalten Gold und Silber, unabhängig vom Wechsel ihrer Wertgröße. Diese aber ist denselben Fluktuationen unterworfen, potentialiter, wie [die] jede[r] andre[n] Ware. Ob die Zahlung also geliefert wird in einem wirklichen Äquivalent, d. h. der ursprünglich beabsichtigten Wertgröße, hängt davon ab, ob oder ob nicht die zur Produktion eines gegebnen Quantums Gold oder Silber erheischte Arbeitszeit dieselbe geblieben ist. Die Natur des Geldes, als inkamiert in einer besondren Ware, kömmt hier in Kollision mit seiner Funktion als dem verselbstständigten Tauschwert. Die großen Revolution[en], die z. B. im 16. und 17. Jahrhundert durch das Fallen des Werts der edlen Metalle in allen ökonomischen Verhältnissen herbeigeführt wurde[n], oder ähnlich, nur auf kleinerem Maßstab, in der altrömischen Republik, durch das Steigen des Werts des Kupfers, worin die Schulden der Plebejer kontrahiert waren, zwischen der Zeit [des <878> ersten Silberdenarius 485 a. u. c] und dem Anfang des zweiten punischen Kriegs, sind bekannt. Die Darstellung des Einflusses des Steigens oder Fallens des Werts der edlen Metalle, der Materie des Geldes auf die ökonomischen Verhältnisse, setzt die Entwicklung dieser Verhältnisse selbst voraus, kann also an dieser Stelle noch nicht geschehn.

Soviel ergibt sich von selbst, daß das Fallen im Werte der edlen Metalle, d. h. des Geldes stets den Zahlenden auf Kosten des Zahlungsempfangenden begünstigt; ein Steigen in ihrem Werte umgekehrt.

Die gänzliche Versachlichung, Äußerlichwerdung des gesellschaftlichen Stoffwechsels auf Basis der Tauschwerte erscheint schlagend in der Abhängigkeit aller sozialen Verhältnisse von den Herstellungskosten metallischer Naturgebilde, die als Produktionsinstrumente, als Agenten in der Erzeugung des Reichtums durchaus bedeutungslos sind.

 

Anmerkungen des Verfassers

(1) „Um zu beweisen“, sagt Mr. Slater (der Firma Morrison, Dillon & Co., deren Transaktionen zu den größten der Hauptstadt gehören), „wie wenig reelles Geld in die eigentlichen Handelsoperationen eingeht“ gibt er eine „Analyse des laufenden Handelverkehrs, welcher sich jährlich auf mehrere Millionen beläuft, und der als recht gutes Beispiel für den allgemeinen Handel des Landes angesehen werden kann. Der Maßstab von Einnahmen und Zahlungen ist lediglich auf 1.000.000 Pfund Sterling reduziert; für das Jahr 1856 waren die Beträge wie folgt:

Einnahmen Pfd.St. Ausgaben Pfd.St.
Wechsel von Bankiers und Kaufleuten nach Datum zahlbar 533.596 Wechsel nach Datum zahlbar 302.674
Cheques von Bankiers etc. bei Sicht zahlbar 357.715 Cheques auf Londoner Bankiers 663.672
Landbank-Noten 9.627 Noten der Bank von England 22.743
Noten der Bank von England 68.554 Gold 9.427
Gold 28.089 Silber und Kupfer 1.484
Silber und Kupfer 1.486    
Postanweisungen 933    
Totalsumme: 1.000.000 Totalsumme: 1.000.000“


p. LXXI (Report from the Select Committee on the Bank acts etc. 1 July 1858)1

 

Fremdsprachige Zitate

1 „To prove how little", says Mr. Slater (of the firm of Morrison, Dillon et Co., ... whose transactions are amongst the largest of the metropolis) „of real money ... enters into the Operations of trade“ gibt er eine „analysis of a continuous course of commercial transactions, extending over several millions yearly, and which may be considered as a fair example of the general trade of the country. The proportions of receipts and payments are reduced to the scale of 1.000.000 £ only, during the year 1856, and are as under, viz.:

Receipts   Payments  
In bankers’ drafts and bills of exchange, payable after date 533.596 Bills of exchange payable after date 302.674
In cheques of bankers etc. payable on demand 357.715 Cheques on London bankers 663.672
In country banknotes 9.627 B[ank]-o[f]-E[ngland]-notes 22.743
B[ank]-o[f]-E[ngland]-notes 68.554 Gold 9.427
Gold 28.089 Silver and copper 1.484
Silver and copper 1.486    
Post-office orders 933    
  £1.000.000   £1.000.000“


p. LXXI (Report from the Select Committee on the Bank acts etc. 1 July 1858)


Zuletzt aktualisiert am 4 August 2019