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Der Kapitalismus kommt zur Welt und entwickelt sich historisch in einem nichtkapitalistischen sozialen Milieu. In den westeuropäischen Ländern umgibt ihn zuerst das feudale Milieu, aus dessen Schoß er hervorgeht – die Fronwirtschaft auf dem platten Lande, das Zunfthandwerk in der Stadt –, dann, nach Abstreifung des Feudalismus, ein vorwiegend bäuerlich-handwerksmäßiges Milieu, als einfache Warenproduktion in der Landwirtschaft wie im Gewerbe. Außerdem umgibt den europäischen Kapitalismus ein gewaltiges Terrain außereuropäischer Kulturen, welches die ganze Skala von Entwicklungsstufen von den primitivsten kommunistischen Horden wandernder Jäger und Sammler bis zur bäuerlichen und handwerksmäßigen Warenproduktion darbietet. Mitten in diesem Milieu arbeitet sich der Prozeß der Kapitalakkumulation vorwärts.
Es sind dabei drei Phasen zu unterscheiden: der Kampf des Kapitals mit der Naturalwirtschaft, der Kampf mit der Warenwirtschaft und der Konkurrenzkampf des Kapitals auf der Weltbühne um die Reste der Akkumulationsbedingungen.
Der Kapitalismus bedarf zu seiner Existenz und Fortentwicklung nichtkapitalistischer Produktionsformen als seiner Umgebung. Aber nicht mit jeder dieser Formen ist ihm gedient. Er braucht nichtkapitalistische soziale Schichten als Absatzmarkt für seinen Mehrwert, als Bezugsquellen seiner Produktionsmittel und als Reservoirs der Arbeitskräfte für sein Lohnsystem. Zu allen diesen Zwecken kann das Kapital mit naturalwirtschaftlichen Produktionsformen nichts anfangen. In allen naturalwirtschaftlichen Formationen – ob es sich um primitive Bauerngemeinden mit Gemeineigentum an Grund und Boden, feudale Fronverhältnisse oder dergleichen handelt – ist die Produktion für den Selbstbedarf das Ausschlaggebende der Wirtschaft, daher kein oder geringer Bedarf nach fremden Waren und in der Regel auch kein Überfluß an eigenen Produkten oder zum mindesten kein dringendes Bedürfnis, überschüssige Produkte loszuwerden. Was das wichtigste jedoch: Alle naturalwirtschaftlichen Produktionsformen beruhen auf dieser oder jener Art Gebundenheit sowohl der Produktionsmittel wie der Arbeitskräfte. Die kommunistische Bauerngemeinde so gut wie der feudale Fronhof und dergleichen stützen sich in ihrer wirtschaftlichen Organisation auf die Fesselung des wichtigsten Produktionsmittels – des Grund und Bodens – sowie der Arbeitskräfte durch Recht und Herkommen. Die Naturalwirtschaft setzt somit den Bedürfnissen des Kapitals in jeder Hinsicht starre Schranken entgegen. Der Kapitalismus führt deshalb vor allem stets und überall einen Vernichtungskampf gegen die Naturalwirtschaft in jeglicher historischer Form, auf die er stößt, gegen die Sklavenwirtschaft, gegen den Feudalismus, gegen den primitiven Kommunismus, gegen die patriarchalische Bauernwirtschaft. In diesem Kampfe bilden politische Gewalt (Revolution, Krieg), staatlicher Steuerdruck und Billigkeit der Waren die Hauptmethoden, die teils nebeneinander laufen, teils einander folgen und sich gegenseitig unterstützen. Äußerte sich die Gewalt im Kampfe gegen den Feudalismus in Europa in revolutionärer Gestalt (die bürgerlichen Revolutionen des 17., 18. und 19. Jahrhunderts gehören in letzter Linie hierher), so in außereuropäischen Ländern – im Kampfe gegen primitivere soziale Formen – in der Gestalt der Kolonialpolitik. Das hier praktizierte Steuersystem wie der Handel, namentlich mit primitiven Gemeinwesen, stellen ein Gemisch dar, in dem politische Gewalt und ökonomische Faktoren eng ineinandergreifen.
Die ökonomischen Zwecke des Kapitalismus im Kampfe mit naturalwirtschaftlichen Gesellschaften sind im einzelnen:
Bei der primitiven Akkumulation, d. h. in den ersten geschichtlichen Anfängen des Kapitalismus in Europa am Ausgang des Mittelalters und bis ins 19. Jahrhundert hinein, bildete das Bauernlegen in England und auf dem Kontinent das großartigste Mittel zur massenhaften Verwandlung der Produktionsmittel und Arbeitskräfte in Kapital. [1*] Indes dieselbe Aufgabe wird bis auf den heutigen Tag durch das herrschende Kapital in ganz anders großartigem Maßstab ausgeführt – in der modernen Kolonialpolitik. Es ist eine Illusion, zu hoffen, der Kapitalismus würde sich je nur mit Produktionsmitteln begnügen, die er auf dem Wege des Warenhandels erstehen kann. Die Schwierigkeit für das Kapital besteht in dieser Hinsicht schon darin, daß auf gewaltigen Strecken der exploitierbaren Erdoberfläche die Produktivkräfte sich im Besitz von gesellschaftlichen Formationen befinden, die entweder zum Warenhandel nicht neigen oder aber gerade die wichtigsten Produktionsmittel, auf die es dem Kapital ankommt, überhaupt nicht feilbieten, weil die Eigentumsformen wie die ganze soziale Struktur dies von vornherein ausschließen. Dahin gehören vor allem Grund und Boden mit dem ganzen Reichtum an mineralischem Gehalt nim Innern sowie mit dem Wiesen-, Wälder- und Wasserbestand an der Oberfläche, ferner Viehherden bei viehzüchtenden primitiven Völkern. Sich hier auf den Prozeß der langsamen auf Jahrhunderte berechneten inneren Zersetzung dieser naturalwirtschaftlichen Gebilde verlassen und ihre Resultate erst abwarten, bis sie zur Entäußerung der wichtigsten Produktionsmittel auf dem Wege des Warenhandels führen, würde für das Kapital soviel bedeuten, wie überhaupt auf die Produktivkräfte jener Gebiete verzichten. Daraus folgert der Kapitalismus gegenüber den Kolonialländern die gewaltsame Aneignung der wichtigsten Produktionsmittel als eine Lebensfrage für sich. Da aber gerade die primitiven sozialen Verbände der Eingeborenen der stärkste Schutzwall der Gesellschaft wie ihrer materiellen Existensbasis sind, so erfolgt als einleitende Methode des Kapitals die systematische, planmäßige Zerstörung und Vernichtung der nichtkapitalistischen sozialen Verbände, auf die es in seiner Ausbreitung stößt. Hier haben wir es nicht mehr mit der primitiven Akkumulation zu tun, der Prozeß dauert fort bis auf den heutigen Tag. Jede neue Kolonialerweiterung wird naturgemäß von diesem hartnäckigen Krieg des Kapitals gegen die sozialen und ökonomischen Zusammenhänge der Eingeborenen begleitet sowie von dem gewaltsamen Raub ihrer Produktionsmittel und ihrer Arbeitskräfte. Die Hoffnung, den Kapitalismus ausschließlich auf den „friedlichen Wettbewerb“, d. h. auf den regelrechten Warenhandel, wie er zwischen kapitalistisch produzierenden Ländern geführt wird, als die einzige Grundlage seiner Akkumulation verweisen zu können, beruht auf der doktrinären Täuschung, als ob die Kapitalakkumulation ohne die Produktivkräfte und die Nachfrage primitiverer Gebilde auskommen, sich auf den langsamen inneren Zersetzungsprozeß der Naturalwirtschaft verlassen könnte. Sowenig die Kapitalakkumulation in ihrer sprunghaften Ausdehnungstätigkeit auf den natürlichen Zuwachs der Arbeiterbevölkerung zu warten und mit ihm auszukommen vermag, sowenig wird sie auch die natürliche langsame Zersetzung der nichtkapitalistischen Formen und ihren Übergang zur Warenwirtschaft abwarten und sich mit ihm begnügen. Das Kapital kennt keine andere Lösung der Frage als Gewalt, die eine ständige Methode der Kapitalakkumulation als geschichtlicher Prozeß ist, nicht bloß bei der Genesis, sondern bis auf den heutigen Tag. Für die primitiven Gesellschaften aber gibt es, da es sich in jedem solchen Falle um Sein oder Nichtsein handelt, kein anderes Verhalten als Widerstand und Kampf auf Tod und Leben, bis zur völligen Erschöpfung oder bis zur Ausrottung. Daher die ständige militärische Besetzung der Kolonien, die Aufstände der Eingeborenen und die Kolonialexpeditionen zu ihrer Niederwerfung als permanente Erscheinungen auf der Tagesordnung des Kolonialregimes. Die gewaltsame Methode ist hier die direkte Folge des Zusammenpralls des Kapitalismus mit naturalwirtschaftlichen Formationen, die seiner Akkumulation Schranken setzen. Ohne ihre Produktionsmittel und Arbeitskräfte kann er nicht auskommen, sowenig wie ohne ihre Nachfrage nach seinem Mehrprodukt. Um ihnen aber Produktionsmittel und Arbeitskräfte zu entnehmen, um sie in Warenabnehmer zu verwandeln, strebt er zielbewußt danach, sie als selbständige soziale Gebilde zu vernichten. Diese Methode ist vom Standpunkt des Kapitals die zweckmäßigste, weil sie zugleich die rascheste und profitabelste ist. Ihre andere Seite ist nämlich der wachsende Militarismus, über dessen Bedeutung für die Akkumulation in anderem Zusammenhang weiter unten. Die klassischen Beispiele der Anwendung dieser Methoden des Kapitals in den Kolonien bieten die Politik der Engländer in Indien und die der Franzosen in Algier.
Die uralte Wirtschaftsorganisation der Inder – die kommunistische Dorfgemeinde – hatte sich in ihren verschiedenen Formen durch Jahrtausende erhalten und eine lange innere Geschichte durchgemacht, trotz aller Stürme „in den politischen Wolkenregionen“. Im 6. Jahrhundert vor der christlichen Ära drangen in das Indusgebiet die Perser und unterwarfen sich einen Teil des Landes. Zwei Jahrhunderte später zogen die Griechen ein und hinterließen als Ableger einer ganz fremden Kultur die alexandrinischen Kolonien. Die wilden Skythen machten eine Invasion ins Land. Jahrhundertelang herrschten die Araber in Indien. Später kamen von den Höhen des Iran die Afghanen, bis auch diese durch den ungestümen Ansturm der Tatarenhorden aus Transoxanien vertrieben wurden. Schrecken und Vernichtung bezeichneten den Weg, auf dem die Mongolen vorüberzogen, ganze Dörfer wurden niedergemetzelt, und die friedlichen Fluren mit den zarten Reishalmen färbten sich purpurn von Strömen vergossenen Blutes. Aber die indische Dorfgemeinde hat alles überdauert. Denn alle mohammedanischen Eroberer, die einander ablösten, ließen schließlich das innere soziale Leben der Bauernmasse und seine überlieferte Struktur unangetastet. Sie setzten bloß in den Provinzen ihre Statthalter ein, die die militärische Organisation überwachten und Abgaben von der Bevölkerung einsammelten. Alle Eroberer gingen auf die Beherrschung und Ausbeutung des Landes aus, keiner hatte ein Interesse daran, dem Volke seine Produktivkräfte zu rauben und seine soziale Organisation zu vernichten. Der Bauer mußte im Reiche des Großmoguls jährlich seinen Tribut in Naturalien an die Fremdherrschaft entrichten, aber er konnte in seinem Dorf ungeschoren leben und auf seiner Sholgura wie seine Urväter Reis bauen. Dann kamen die Engländer, und der Pesthauch der kapitalistischen Zivilisation vollbrachte in kurzer Zeit, was Jahrtausende nicht vermocht und was das Schwert der Nogaier nicht fertiggebracht hatte: die ganze soziale Organisation des Volkes zu zertrümmern. Der Zweck des englischen Kapitals war in letzter Linie, die Existenzbasis selbst der indischen Gemeinde: den Grund und Boden, in die eigene Macht zu kriegen.
Zu diesem Zwecke diente vor allem die bei den europäischen Kolonisatoren seit jeher beliebte Fiktion, wonach alles Land in der Kolonie Eigentum der politischen Herrscher wäre. Die Engländer schenkten nachträglich ganz Indien als Privatbesitz dem Großmogul und seinen Statthaltern, um es als deren „rechtmäßige“ Nachfolger zu erben. Die angesehensten Gelehrten der Nationalökonomie, wie James Mill, stützten diese Fiktion diensteifrig mit „wissenschaftlichen“ Gründen, so namentlich mit dem famosen Schluß: man müsse annehmen, daß das Grundeigentum in Indien dem Herrscher gehörte, „denn wollten wir annehmen, daß nicht er der Grundeigentümer war, so wären wir nicht imstande zu sagen: Wer war denn Eigentümer?“ (1) Demgemäß verwandelten die Engländer schon 1793 in Bengalen alle Samindars, d. h. die vorgefundenen mohammedanischen Steuerpächter oder auch die erblichen Marktvorsteher in ihren Bezirken in Grundbesitzer dieser Bezirke, um sich auf diese Weise einen starken Anhang im Lande bei ihrem Feldzuge gegen die Bauernmasse zu schaffen. Genauso verfuhren sie auch später bei neuen Eroberungen, in der Provinz Agra, in Audh, in den Zentralprovinzen. Die Folge war eine Reihe von stürmischen Bauernaufständen, bei denen die Steuereinnehmer häufig vertrieben wurden. In der allgemeinen Verwirrung und Anarchie, die dabei entstand, wußten englische Kapitalisten einen ansehnlichen Teil der Ländereien in ihre Hände zu bringen.
Ferner wurde die Steuerlast so rücksichtslos erhöht, daß sie fast die gesamte Frucht der Arbeit der Bevölkerung verschlang. Es kam so weit, daß (nach dem offiziellen Zeugnis der englischen Steuerbehörde aus dem Jahre 1854) in den Distrikten Delhi und Allahabad die Bauern es vorteilhaft fanden, ihre Landanteile lediglich gegen die als Steuer auf sie entfallende Summe zu verpachten und zu verpfänden. Auf dem Boden dieses Steuersystems zog der Wucher in das indische Dorf ein und setzte sich in ihm fest, wie ein Krebs von innen die soziale Organisation zerfressend. (2) Zur Beschleunigung des Prozesses führten die Engländer ein Gesetz ein, das allen Traditionen und Rechtsbegriffen der Dorfgemeinde ins Gesicht schlug: die zwangsweise Veräußerlichkeit der Dorffelder wegen Steuerrückständen. Der alte Geschlechtsverband suchte sich dagegen vergeblich durch das Vorkaufsrecht der Gesamtmark und der verwandten Marken zu schützen. Die Auflösung war im vollen Gange. Zwangsversteigerungen, Austritte einzelner aus der Mark, Verschuldung und Enteignung der Bauern waren an der Tagesordnung.
Die Engländer suchten sich dabei, wie es ihre Taktik in den Kolonien stets war, den Anschein zu geben, als sei ihre Gewaltpolitik, die völlige Unsicherheit der Grundbesitzverhältnisse und den Zusammenbruch der Bauernwirtschaft der Hindus herbeigeführt hatte, gerade im Interesse des Bauerntums und zu seinem Schutze gegen die eingeborenen Tyrannen und Ausbeuter notwendig gewesen. (3) Erst schuf England künstlich eine Landaristokratie in Indien auf Kosten uralter Eigentumsrechte der Bauerngemeinden, um hinterdrein die Bauern gegen diese Bedrücker zu schützen und das „widerrechtlich usurpierte Land“ in die Hände englischer Kapitalisten zu bringen.
So entstand in Indien in kurzer Zeit der Großgrundbesitz, während die Bauern auf enormen Strecken in eine verarmte, proletarisierte Masse kleiner Pächter mit kurzen Pachtfristen verwandelt wurden.
Endlich kam noch in einem markanten Umstand die spezifische Kapitalmethode der Kolonisation zum Ausdruck. Die Engländer waren die ersten Eroberer Indiens, die eine rohe Gleichgültigkeit für die öffentlichen Kulturwerke wirtschaftlichen Charakters mitbrachten. Araber, Afghanen wie Mongolen leiteten und unterstützten in Indien großartige Kanalanlagen, durchzogen das Land mit Straßen, überspannten Flüsse mit Brücken, ließen wasserspendende Brunnen graben. Der Ahne der Mongolendynastie in Indien, Timur oder Tamerlan, trug Sorge für die Bodenkultur, Bewässerung, Sicherheit der Wege und Verpflegung der Reisenden. (4)
„Die primitiven Radschas Indiens, die afghanischen oder mongolischen Eroberer, zuweilen grausam für die Individuen, bezeichneten wenigstens ihre Herrschaft durch jene wunderbaren Konstruktionen, die man heute auf jedem Schritt findet und die das Werk einer Rasse von Riesen zu sein scheinen ... Die Kompanie (die englische Ostindische Kompanie, die bis 1858 in Indien herrschte – R.L.) hat nicht eine Quelle geöffnet, nicht einen Brunnen gegraben, nicht einen Kanal gebaut, nicht eine Brücke zum Nutzen der Inder errichtet.“ (5)
Ein anderer Zeuge, der Engländer James Wilson, sagt:
„In der Provinz von Madras wird jedermann unwillkürlich durch die grandiosen altertümlichen Bewässerungsanlagen frappiert, deren Spuren sich bis auf unsere Zeit erhalten haben. Stausysteme die die Flüsse stauten, bildeten ganze Seen, aus denen Kanäle auf 60 und 70 Meilen im Umkreis Wasser verbreiteten. Auf großen Flüssen gab es solcher Schleusen 30–40 Stück ... Das Regenwasser, das von den Bergen hinabfloß, wurde in besonders zu diesem Behufe gebauten Teichen gesammelt, von denen viele bis jetzt 15 bis 25 Meilen im Umkreis haben. Diese gigantischen Konstruktionen waren fast alle vor dem Jahre 1750 vollendet. In der Epoche der Kriege der Kompanie mit den mongolischen Herrschern und, wir müssen hinzufügen, während der ganzen Periode unserer Herrschaft in Indien sind sie in großen Verfall geraten.“ (6)
Ganz natürlich: Für das englische Kapital kam es nicht darauf an, die indischen Gemeinwesen lebensfähig zu erhalten und wirtschaftlich zu stützen, sondern im Gegenteil, sie zu zerstören, ihnen die Produktivkräfte zu entreißen. Die rasch zugreifende ungestüme Gier der Akkumulation, die ihrem ganzen Wesen nach von „Konjunkturen“ lebt und nicht an den morgigen Tag zu denken imstande ist, kann den Wert der alten wirtschaftlichen Kulturwerke von weitsichtigerem Standpunkt nicht einschätzen. In Ägypten zerbrachen sich kürzlich die englischen Ingenieure, als sie für die Zwecke des Kapitals am Nil Riesenstauwerke errichten sollten, den Kopf, um die Spuren jener antiken Kanalsysteme aufzudecken, die sie in ihren indischen Provinzen mit der stupiden Sorglosigkeit von Botokuden hatten gänzlich verfallen lassen. Die Engländer haben das edle Werk ihrer Hände erst einigermaßen zu würdigen gelernt, als die furchtbare Hungersnot, die im Distrikt Orissa allein in einem Jahre eine Million Menschenleben dahingerafft hatte, im Jahre 1867 eine Untersuchung über die Ursachen der Notlage vom englischen Parlament erzwungen hat. Gegenwärtig sucht die englische Regierung die Bauern auf administrativem Wege vor dem Wucher zu retten. Die Punjab Alienation Act (1900) verbietet die Veräußerung oder Belastung des Bauernlandes zugunsten von Angehörigen anderer Kasten als die landbautreibende und macht Ausnahmen im Einzelfalle von der Genehmigung des Steuereinnehmers abhängig. (7) Nachdem sie die schützenden Bande der uralten sozialen Verbände der Hindus planmäßig zerrissen und einen Wucher großgezogen haben, bei dem ein Zinsfuß von 15 Prozent eine gewöhnliche Erscheinung ist, stellen die Engländer den ruinierten und verelendeten indischen Bauer unter die Vormundschaft des Fiskus und seiner Beamten, d. h. unter den „Schutz“ seiner unmittelbaren Blutsauger.
Neben dem Martyrium Britisch-Indiens beansprucht in der kapitalistischen Kolonialwirtschaft die Geschichte der französischen Politik in Algerien einen Ehrenplatz. Als die Franzosen Algerien eroberten [2*], herrschten unter der Masse der arabisch-kabylischen Bevölkerung die uralten sozialen und wirtschaftlichen Einrichtungen, die sich trotz der langen und bewegten Geschichte des Landes bis ins 19. Jahrhundert, ja zum Teil bis heute erhalten haben.
Mochte in den Städten, unter den Mauren und Juden, unter Kaufleuten, Handwerkern und Wucherern Privateigentum herrschen und auf dem flachen Lande bereits große Strecken von der türkischen Vasallenherrschaft her als staatliche Domänen usurpiert sein, immerhin gehörte noch fast die Hälfte des benutzten Landes in ungeteiltem Eigentum den arabisch-kabylischen Stämmen, und hier herrschten noch uralte, patriarchalische Sitten. Dasselbe Nomadenleben, nur dem oberflächlichen Blick unstet und regellos, in Wirklichkeit streng geregelt und höchst eintönig, führte wie seit jeher noch im 19. Jahrhundert viele arabische Geschlechter mit Männern, Weibern und Kindern, mit Herden und Zelten jeden Sommer an den von Meereswinden angefächelten kühleren Küstenteil Tell und jeden Winter wieder in die schützende Wärme der Wüste zurück. Jeder Stamm und jedes Geschlecht hatte seine bestimmten Wanderungsstrecken und bestimmte Sommer- und Winterstationen, wo sie ihre Zelte aufschlugen. Die ackerbautreibenden Araber besaßen das Land gleichfalls vielfach noch im Gemeineigentum der Geschlechter. Und ebenso patriarchalisch nach althergebrachten Regeln lebte die kabylische Großfamilie unter der Leitung ihrer gewählten Oberhäupter.
Die Hauswirtschaft dieses großen Familienkreises war ungeteilt von dem ältesten weiblichen Mitglied geleitet, jedoch gleichfalls auf Grund der Wahl der Familie, oder aber von den Frauen der Reihe nach. Die kabylische Großfamilie, die in dieser Organisation am Saum der afrikanischen Wüste ein eigentümliches Seitenstück zu der berühmten südslawischen „Zadruga“ [3*] darbot, war Eigentümerin nicht bloß des Grund und Bodens, sondern auch aller Werkzeuge, Waffen und Gelder, die zum Betrieb des Berufs aller Mitglieder erforderlich waren und von ihnen erworben wurden. Als Privateigentum gehörte jedem Mann nur ein Anzug und jeder Frau nur die Kleidungsstücke und die Schmucksachen, die sie als Brautgeschenk erhalten hatte. Alle kostbareren Gewänder aber und Juwelen galten als ungeteiltes Familieneigentum und durften von einzelnen nur mit Einwilligung aller gebraucht werden. War die Familie nicht zu zahlreich, so nahm sie ihre Mahlzeiten an einem gemeinsamen Tische ein, wobei alle Frauen nach der Reihe kochten, die ältesten aber die Verteilung besorgten. War der Kreis der Personen zu groß, dann wurden allmonatlich die Nahrungsmittel vom Vorstand in rohem Zustand bei Beobachtung strenger Gleichheit unter die Einzelfamilien verteilt und von diesen zubereitet. Engste Bande der Solidarität, gegenseitiger Hilfe und Gleichheit umspannten diese Gemeinwesen, und die Patriarchen pflegten sterbend den Söhnen das treue Festhalten am Familienverband als letztes Vermächtnis ans Herz zu legen. (8)
Schon die türkische Herrschaft, die sich im 16. Jahrhundert in Algerien etablierte, hatte ernste Eingriffe in diese sozialen Verhältnisse gemacht. Freilich war es nur eine später von den Franzosen erfundene Fabel, daß die Türken sämtlichen Grund und Boden für den Fiskus konfisziert hätten. Diese wilde Phantasie, die nur den Europäern einfallen konnte, befand sich im Widerspruch mit der ganzen ökonomischen Grundlage des Islams und seiner Bekenner. Im Gegenteil, die Grundbesitzverhältnisse der Dorfgemeinden und der Großfamilien wurden von den Türken im allgemeinen nicht angetastet. Nur ein großer Teil unbebauter Ländereien wurde von ihnen als Staatsdomäne den Geschlechtern gestohlen und unter den türkischen Lokalverwaltern in Beyliks verwandelt, die zum Teil direkt von Staats wegen mit eingeborenen Arbeitskräften bewirtschaftet, zum Teil gegen Zins oder Naturalleistungen in Pacht gegeben wurden. Daneben benutzten die Türken jede Meuterei der unterworfenen Geschlechter und jede Verwirrung im Lande, um durch umfassende Landkonfiskationen die fiskalischen Besitzungen zu vergrößern und darauf Militärkolonien zu gründen oder die konfiszierten Guter öffentlich zu versteigern, wobei sie meist in die Hände von türkischen und anderen Wucherern gerieten. Um den Konfiskationen und dem Steuerdruck zu entgehen, begaben sich viele Bauern, genau wie in Deutschland im Mittelalter, unter den Schutz der Kirche, die auf diese Weise zum obersten Grundherrn über ansehnliche Strecken Landes wurde. Schließlich stellten die Besitzverhältnisse Algeriens nach all diesen wechselvollen Geschicken zur Zeit der französischen Eroberung das folgende Bild dar: 1.500.000 Hektar Land umfaßten die Domänen, 3.000.000 Hektar unbenutztes Land waren gleichfalls dem Staate unterstellt als „Gemeineigentum aller Rechtgläubigen“ (Bled-el-Islam); das Privateigentum umfaßte 3.000.000 Hektar, die sich noch von römischen Zeiten her im Besitze der Berber befanden, und 1.500.000 Hektar, die unter der türkischen Herrschaft in Privathände übergegangen waren. In ungeteiltem Gemeineigentum der arabischen Geschlechter verblieben danach nur noch 5.000.000 Hektar Land. Was die Sahara betrifft, so befanden sich darin zirka 3.000.000 Hektar brauchbaren Landes im Bereiche der Oasen teils in ungeteiltem Großfamilienbesitz, teils in Privatbesitz. Die übrigen 23.000.000 Hektar stellten meist Ödland dar.
Die Franzosen begannen, nachdem sie Algerien in ihre Kolonie verwandelt hatten, mit großem Tamtam ihr Werk der Zivilisierung. War doch Algerien, nachdem es anfangs des 18. Jahrhunderts die Abhängigkeit von der Türkei abgestreift hatte, ein freies Seeräubernest geworden, welches das Mittelmeer unsicher machte und Sklavenhandel mit Christen trieb. Gegen diese Ruchlosigkeiten der Mohammedaner erklärten namentlich Spanien und die nordamerikanische Union, die selbst im Sklavenhandel zu jener Zeit Erkleckliches leisteten, unerbittlichen Krieg. Auch während der Großen Französischen Revolution wurde ein Kreuzzug gegen die Anarchie in Algerien proklamiert. Die Unterwerfung Algeriens durch Frankreich war also unter den Losungen der Bekämpfung der Sklaverei und der Einführung geordneter, zivilisierter Zustände durchgeführt. Die Praxis sollte bald zeigen, was dahinter steckte. In den vierzig Jahren, die seit der Unterwerfung Algeriens verflossen waren, hat bekanntlich kein europäischer Staat so häufigen Wechsel des politischen Systems durchgemacht wie Frankreich. Auf die Restauration war die Julirevolution und das Bürgerkönigtum gefolgt, auf diese die Februarrevolution, die Zweite Republik, das Zweite Kaiserreich, endlich das Debakel des Jahres 1870 und die Dritte Republik. Adel, Hochfinanz, Kleinbürgertum, die breite Schicht der Mittelbourgeoisie lösten einander in der politischen Herrschaft ab. Aber ein ruhender Pol in dieser Erscheinungen Flucht war die Politik Frankreichs in Algerien, die von Anfang bis Ende auf ein und dasselbe Ziel gerichtet war und am Saum der afrikanischen Wüste am besten verriet, daß sich sämtliche Staatsumwälzungen Frankreichs im 19. Jahrhundert um ein und dasselbe Grundinteresse: um die Herrschaft der kapitalistischen Bourgeoisie und ihrer Eigentumsform, drehten.
„Die Ihrem Studium unterbreitete Gesetzesvorlage“, sagte der Abgeordnete Humbert am 30. Juni 1873 in der Sitzung der französischen Nationalversammlung als Berichterstatter der Kommission zur Ordnung der Agrarverhältnisse in Algerien, „ist nicht mehr als die Krönung des Gebäudes, dessen Fundament durch eine ganze Reihe von Ordonnanzen, Dekreten, Gesetzen und Senatuskonsulten gelegt war, die alle zusammen und jedes insbesondere ein und dasselbe Ziel verfolgen: die Etablierung des Privateigentums bei den Arabern.“ Die planmäßige, bewußte Vernichtung und Aufteilung des Gemeineigentums, das war der unverrückbare Pol, nach dem sich der Kompaß der französischen Kolonialpolitik ungeachtet aller Stürme im inneren Staatsleben während eines halben Jahrhunderts richtete, und zwar aus dem folgenden klar erkannten Doppelinteresse. Die Vernichtung des Gemeineigentums sollte vor allem die Macht der arabischen Geschlechter als sozialer Verbände zertrümmern und damit ihren hartnäckigen Widerstand gegen das französische Joch brechen, der sich trotz aller Militärübermacht Frankreichs in unaufhörlichen Rebellionen der Stämme kundtat und einen unaufhörlichen Kriegszustand in der Kolonie zur Folge hatte. (9) Ferner war der Ruin des Gemeineigentums eine Vorbedingung, um in den wirtschaftlichen Genuß des eroberten Landes zu treten, d. h. den seit einem Jahrtausend von den Arabern besessenen Grund und Boden ihren Händen zu entreißen und in die Hände französischer Kapitalisten zu bringen. Zu diesem Behufe diente vor allem dieselbe uns schon bekannte Fiktion, wonach der gesamte Grund und Boden nach muselmännischem Gesetz Eigentum des jeweiligen Herrschers wäre. Genau wie die Engländer in Britisch-Indien erklärten die Gouverneure Louis-Philippes in Algerien die Existenz eines Gemeineigentums ganzer Geschlechter für eine „Unmöglichkeit“ Auf Grund dieser Fiktion wurden die meisten unbebauten Ländereien, namentlich aber die Almenden, Wälder und Wiesen für Staatseigentum erklärt und zu Kolonisationszwecken verwendet. Es kam ein ganzes System der Ansiedelungen, die sog. Cantonnements, auf, bei dem inmitten der Geschlechterländereien französische Kolonisten gesetzt, die Stämme selbst aber auf einem minimalen Gebiet zusammengepfercht werden sollten. Durch Erlasse vom Jahre 1830, 1831, 1840, 1844, 1845, 1846 wurden diese Diebstähle an arabischen Geschlechterländereien „gesetzlich“ begründet. Dieses Ansiedelungssystem führte aber in Wirklichkeit gar nicht zur Kolonisation, es hat bloß zügellose Spekulation und Wucher großgezogen. Die Araber verstanden in den meisten Fällen, die ihnen weggenommenen Ländereien zurückzukaufen, wobei sie freilich tief in Schulden gerieten. Der französische Steuerdruck wirkte nach derselben Richtung. Namentlich aber hat das Gesetz vom 16. Juni 1851, das alle Forsten zum Staatseigentum erklärte und so 2,4 Millionen Hektar halb Weide, halb Gestrüpp den Eingeborenen stahl, der Viehzucht die Existenzbasis entzogen. Unter dem Platzregen all dieser Gesetze, Ordonnanzen und Maßnahmen entstand in den Eigentumsverhältnissen des Landes eine unbeschreibliche Verwirrung. Zur Ausnutzung der herrschenden fieberhaften Bodenspekulation und in der Hoffnung auf baldige Zurückgewinnung des Bodens veräußerten viele Eingeborene ihre Grundstücke an Franzosen, wobei sie häufig an zwei und drei Käufer zugleich dasselbe Grundstück verkauften, das sich obendrein gar nicht als ihr Eigentum, sondern als unveräußerliches Geschlechtereigentum herausstellte. So glaubte eine Spekulantengesellschaft aus Rouen 20.000 Hektar gekauft zu haben, während sie im Resultat nur 1.370 Hektar strittigen Gebietes ihr eigen nennen durfte. In einem anderen Falle stellte sich ein verkauftes Gebiet von 1.230 Hektar nach der Aufteilung als 2 Hektar aus. Es folgte eine unendliche Reihe von Prozessen, wobei die französischen Gerichte prinzipiell alle Aufteilungen und Ansprüche der Käufer unterstützten. Unsicherheit der Verhältnisse, Spekulation, Wucher und Anarchie wurden allgemein. Aber der Plan der französischen Regierung, sich mitten in der arabischen Bevölkerung eine starke Stütze in einer französischen Kolonistenmasse zu schaffen, hat elend Schiffbruch gelitten. Deshalb nimmt die französische Politik unter dem Zweiten Kaiserreich eine andere Wendung: Die Regierung, die sich nach 30 Jahren hartnäckigen Leugnens des Gemeineigentums in ihrer europäischen Borniertheit eines Besseren hat belehren lassen müssen, erkannte endlich offiziell die Existenz des ungeteilten Geschlechtereigentums an, doch nur, um im gleichen Atem die Notwendigkeit seiner gewaltsamen Aufteilung zu proklamieren. Diesen Doppelsinn hat der Senatuskonsult vom 22. April 1863. „Die Regierung“, erklärte General Allard im Staatsrat, „verliert nicht aus dem Auge, daß das allgemeine Ziel ihrer Politik dies ist, den Einfluß der Geschlechtervorsteher zu schwächen und die Geschlechter aufzulösen. Auf diese Weise wird es die letzten Reste des Feudalismus (!) beseitigen, als dessen Verteidiger die Gegner der Regierungsvorlage auftreten. Die Herstellung des Privateigentums, die Ansiedelung europäischer Kolonisten inmitten der arabischen Geschlechter ..., das werden die sichersten Mittel zur Beschleunigung des Auflösungsprozesses der Geschlechtsverbände sein.“ (10) Das Gesetz vom Jahre 1863 schuf zum Zwecke der Aufteilung der Ländereien besondere Kommissionen, die folgendermaßen zusammengesetzt waren: ein Brigadegeneral oder Hauptmann als Vorsitzender, ferner ein Unterpräfekt, ein Beamter der arabischen Militärbehörden und ein Beamter der Domänenverwaltung. Diesen geborenen Kennern wirtschaftlicher und sozialer Verhältnisse Afrikas wurde die dreifache Aufgabe gestellt: erst die Grenzen der Geschlechtergebiete genau abzustecken, dann das Gebiet jedes einzelnen Geschlechts unter seine einzelnen Zweige oder Großfamilien aufzuteilen und endlich auch diese Großfamilienländereien in einzelne Privatparzellen zu zerschlagen. Der Feldzug der Brigadegeneräle ins Innere Algeriens wurde pünktlich ausgeführt, die Kommissionen begaben sich an Ort und Stelle, wobei sie Feldmesser, Landaufteiler und obendrein Richter in allen Landstreitigkeiten in einer Person waren. Der Generalgouverneur von Algerien sollte die Aufteilungspläne in letzter Instanz bestätigen. Nachdem die Kommissionen 10 Jahre lang im Schweiße ihres Angesichts gearbeitet hatten, war das Resultat folgendes: Von 1863 bis 1873 wurden von den 700 arabischen Geschlechtergebieten zirka 400 unter die Großfamilien aufgeteilt. Schon hier wurde zur künftigen Ungleichheit, zum Großgrundbesitz und zur kleinen Parzelle der Grund gelegt. Denn je nach der Größe des Gebietes und der Zahl der Mitglieder eines Geschlechts entfiel pro Mitglied bald 1 bis 4 Hektar, bald 100 und selbst 180 Hektar Land. Die Aufteilung blieb jedoch bei den Großfamilien stehen. Die Aufteilung des Familiengebietes begegnete trotz aller Brigadegeneräle unüberwindlichen Schwierigkeiten in den Sitten der Araber. Der Zweck der französischen Politik: die Schaffung des individuellen Eigentums und dessen Überführung in den Besitz der Franzosen, war also wieder einmal im großen und ganzen gescheitert.
Erst die Dritte Republik, das unumwundene Regiment der Bourgeoisie, hat den Mut und den Zynismus gefunden, alle Umschweife auf die Seite zu legen und ohne die vorbereitenden Schritte des Zweiten Kaiserreichs die Sache vom anderen Ende anzugreifen. Die direkte Aufteilung der Gebiete aller 700 arabischen Geschlechter in individuelle Anteile, eine parforce Einführung des Privateigentums in kürzester Zeit, das war der offen ausgesprochene Zweck des Gesetzes, den die Nationalversammlung im Jahre 1873 ausgearbeitet hat. Den Vorwand dazu boten die verzweifelten Zustände der Kolonie. Genau wie erst die große Hungersnot in Indien 1866 der Öffentlichkeit in England die schönen Resultate der englischen Kolonialpolitik drastisch vor die Augen geführt und eine parlamentarische Kommission zur Untersuchung der Mißstände veranlaßt hatte, so wurde Europa zu Ende der sechziger Jahre durch den Notschrei aus Algerien alarmiert, wo massenhafte Hungersnot und außerordentliche Sterblichkeit unter den Arabern über 40 Jahre französischer Herrschaft quittierten. Zur Untersuchung der Ursachen und zur Beglückung der Araber durch neue gesetzliche Maßnahmen wurde eine Kommission eingesetzt, die zu dem einstimmigen Beschlusse kam, daß den Arabern als Rettungsanker nur eins helfen könne – das Privateigentum. Dann erst würde nämlich jeder Araber in der Lage sein, sein Grundstück zu verkaufen oder darauf Hypotheken aufzunehmen und sich so vor der Not zu schützen. Um also der Notlage der Araber abzuhelfen, die durch teilweise von den Franzosen bereits ausgeführte Diebereien an algerischem Grund und Boden wie durch die von ihnen geschaffene Steuerlast und damit verbundene Verschuldung der Araber entstanden war, erklärte man als einziges Mittel: die vollständige Auslieferung der Araber in die Krallen des Wuchers. Diese Possenreißerei wurde vor der Nationalversammlung mit völlig ernstem Gesicht Vorgetragen und von der würdigen Körperschaft mit ebensolchem Ernst aufgenommen. Die Schamlosigkeit der „Sieger“ über die Pariser Kommune feierte Orgien.
Zwei Argumente dienten besonders in der Nationalversammlung zur Stütze des neuen Gesetzes. Die Araber selbst wünschen dringend die Einführung des Privateigentums, betonten immer wieder die Verteidiger der Regierungsvorlage. In der Tat, sie wünschten es, nämlich die Bodenspekulanten und die Wucherer in Algerien, die ein dringendes Interesse daran hatten, ihre Opfer aus den schützenden Banden der Geschlechter und ihrer Solidarität zu „befreien“. Solange nämlich das muselmännische Recht in Algerien galt, fand die Verpfändung des Grund und Bodens an der Nichtveräußerlichkeit des Gentil- und Familienbesitzes eine unüberwindliche Schranke. Erst das Gesetz von 1863 hatte darin eine Bresche geschlagen. Es galt, das Hindernis ganz wegzuräumen, um dem Wucher freien Spielraum zu lassen. Das zweite Argument war ein „wissenschaftliches“. Es stammte aus demselben geistigen Arsenal, aus dem der ehrwürdige James Mill seine Verständnislosigkeit für die Eigentumsverhältnisse Indiens schöpfte: aus der englischen klassischen Nationalökonomie. Das Privateigentum ist die notwendige Vorbedingung jeder intensiveren, besseren Bodenbebauung in Algerien, die Hungersnöten vorbeugen würde, denn es ist klar, daß niemand Kapital oder intensive Arbeit in einen Boden stecken will, der nicht sein individuelles Eigentum ist und dessen Früchte nicht ausschließlich von ihm genossen werden – deklamierten mit Emphase die wissenschaftlich gebildeten Jünger Smith-Ricardos. Die Tatsachen freilich redeten eine andere Sprache. Sie zeigten, daß die französischen Spekulanten das von ihnen in Algerien geschaffene Privateigentum zu allem anderen gebrauchten, nur nicht zur intensiveren und höheren Bodenbebauung. Von den 400.000 Hektar Landes, die im Jahre 1873 den Franzosen gehörten, befanden sich 120.000 Hektar in den Händen der beiden kapitalistischen Gesellschaften, der Algerischen und der Setif-Kompanie, die ihre Ländereien überhaupt nicht selbst bewirtschafteten, sondern den Eingeborenen in Pacht zurückgaben, die sie ihrerseits in althergebrachter Weise bebauten. Ein Viertel der übrigen französischen Eigentümer befaßte sich ebensowenig mit Landwirtschaft. Die Kapitaleinlagen und intensive Bodenbebauung ließen sich eben hier sowenig wie die kapitalistischen Verhältnisse überhaupt künstlich aus dem Boden stampften. Diese bestanden nur in der profitgierigen Phantasie der französischen Spekulanten und in der doktrinären Nebelwelt ihrer wissenschaftlichen Ideologen aus der Nationalökonomie. Es handelte sich einfach, wenn man die Vorwände und die Floskeln in der Begründung des Gesetzes von 1873 auf die Seite schiebt, um den nackten Wunsch, den Arabern ihre Existenzbasis, den Grund und Boden, zu entreißen. Und trotz aller Fadenscheinigkeit der Argumentation, trotz offensichtlicher Verlogenheit seiner Begründung wurde das Gesetz, das der Bevölkerung Algeriens und ihrem materiellen Wohlstand den Todesstoß versetzen sollte, am 26. Juli 1873 fast einstimmig angenommen.
Doch das Fiasko des Gewaltstreiches ließ nicht lange auf sich warten. Die Politik der Dritten Republik scheiterte an der Schwierigkeit, das bürgerliche Privateigentum in uralten kommunistischen Großfamilienverbänden mit einem Schlage einzuführen, genauso, wie die Politik des Zweiten Kaiserreichs daran gescheitert war. Das Gesetz vom 26. Juli 1873, das durch ein zweites Gesetz vom 28. April 1887 ergänzt wurde, ergab nach 17jähriger Wirkung das folgende Resultat: Bis 1890 waren 14 Millionen Franc für ein Bereinigungsverfahren von 1,6 Millionen Hektar ausgegeben. Man berechnete, daß die Fortsetzung des Verfahrens bis 1950 hätte dauern und weitere 60 Millionen Franc kosten müssen. Das Ziel jedoch, den Großfamilienkommunismus zu beseitigen, war dabei immer noch nicht erreicht. Das einzige, was wirklich und unzweifelhaft bei alledem erreicht wurde, war eine tolle Bodenspekulation, ein üppig gedeihender Wucher und der wirtschaftliche Ruin der Eingeborenen.
Das Fiasko der gewaltsamen Einführung des Privateigentums führte darauf zu einem neuen Experiment. Obwohl das algerische Generalgouvernement schon 1890 eine Kommission eingesetzt hatte, die die Gesetze von 1873 und 188 nachgeprüft und verurteilt hat, dauerte es noch 7 Jahre, bis die Herren Gesetzgeber an der Seine sich zu einer Reform im Interesse des ruinierten Landes aufrafften. Bei der neuen Schwenkung hat man von der zwangsweisen Einführung des Privateigentums von Staats wegen im Prinzip abgesehen. Das Gesetz vom 27. Februar 1897 sowie die Instruktion des algerischen Generalgouverneurs vom 7. März 1898 sehen hauptsächlich die Einführung des Privateigentums auf freiwilligen Antrag der Eigentümer oder der Erwerber vor. (11) Da jedoch bestimmte Klauseln auch die Einführung des Privateigentums auf Antrag eines Eigentümers ohne Zustimmung der übrigen Miteigentümer des Grund und Bodens für zulässig erklären und da ferner ein „freiwilliger“ Antrag der verschuldeten Besitzer unter dem Drucke des Wucherers jeden Augenblick nach Wunsch herbeigeführt werden kann, so öffnet auch das neue Gesetz der weiteren Zernagung und Ausplünderung der Stammesländereien und der Großfamilienbesitzungen durch französische und eingeborene Kapitalisten Tür und Tor.
Die achtzigjährige Vivisektion an Algerien findet namentlich in der letzten Zeit um so schwächeren Widerstand, als die Araber durch die Unterwerfung einerseits Tunesiens 1881 [4*], anderseits neuerdings Marokkos [5*] von dem französischen Kapital immer mehr eingekreist und ihm rettungslos preisgegeben werden. Das jüngste Ergebnis des französischen Regimes in Algerien ist die Massenauswanderung der Araber nach der asiatischen Türkei. (12)
26. Kapitel – 28. Kapitel
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1. Nachdem er in seiner Geschichte Britisch-Indiens die Zeugnisse aus den verschiedensten Quellen, aus Mungo Park, Herodot, Volney, Acosta, Garcilaso de la Vega, Abbé Grosier, Barrow, Diodorus, Strabo u. a., wahllos und kritiklos zusammengeschleppt hat, um den Satz zu konstruieren, daß in primitiven Verhältnissen der Grund und Boden stets und überall Eigentum des Herrschers war, zieht Mill durch Analogie auch für Indien den folgenden Schluß: „From these facts only one conclusion can be drawn, that the property of the soil resided in the sovereign, for if it did not reside in him, it will be impossible to show to whom it belonged.“ (James Mill: The History of British-India, Bd. I, 4. Aufl., 1840. S. 311) Zu dieser klassischen Schlußfolgerung des bürgerlichen Ökonomen gibt sein Herausgeber H.H. Wilson, der als Professor des Sanskrit an der Universität in Oxford genauer Kenner der altindischen Rechtsverhältnisse war, einen interessanten Kommentar. Nachdem er schon in der Vorrede seinen Autor als einen Parteigänger charakterisiert, der die ganze Geschichte Britisch-Indiens zur Rechtfertigung der theoretical views of Mr. Bentham zurechtgestutzt und dabei mit zweifelhaftesten Mitteln ein Zerrbild des Hinduvolkes gezeichnet hätte (a portrait of the Hindus which has no resemblance whatever to the original, and which almost outrages humanity), macht er die folgende Fußnote: „The greater part of the text and of the notes here is wholly irrelevant. The illustrations drawn from Mahometans practice, supposing them to be correct, have nothing to do with the laws and rights of the Hindus. They are not, however, even accurate, and Mr. Mill’s guides have misled him.“ Wilson bestreitet dann rundweg speziell in bezug auf Indien die Theorie von dem Eigentumsrecht des Souveräns auf Grund und Boden. (Siehe l. c., S. 305, Fußnote.) Auch Henry Maine meint, daß die Engländer ihren anfänglichen Anspruch auf den gesamten Grundbesitz in Indien, den Maine wohl als grundfalsch erkennt, von ihren muselmanischen Vorgängern übernommen hätten: „The assumption which the English first made was one which they inherited from their Mahometan predecessors. It was, that all the soil belonged in absolute property to the sovereign, and that all private property in land existed by his sufferance. The Mahometan theory and the corresponding Mahometan practice had put out of sight the ancient view of the sovereign’s rights, which though it assigned to him a far larger share of the produce of the land than any western ruler has ever claimed, yet in nowise denied the existence of private property in land“ (Village communities in the East and West, 5. Aufl., 1890, 104). Maxim Kowalewski hat demgegenüber gründlich nachgewiesen, daß die angebliche „muselmännische Theorie und Praxis“ bloß eine englische Fabel war. (Siehe seine ausgezeichnete Studie in russischer Sprache: Das Gemeineigentum an Grund und Boden. Ursachen, Verlauf und Folgen seiner Zersetzung, Teil I, Moskau 1879.) Die englischen Gelehrten wie übrigens auch ihre französischen Kollegen halten jetzt zum Beispiel an einer analogen Fabel in bezug auf China fest, indem sie behaupten, alles Land sei dort Eigentum des Kaisers gewesen. Siehe die Widerlegung dieser Legende bei Dr. O. Franke: Die Rechtsverhältnisse am Grundeigentum in China, 1903.)
2. „The partition of inheritance and execution for debt levied on land are destroying the communities – this is the formula heard now-a-days everywhere in India.“ (Henry Maine: l. c., S. 113.)
3. Diese typische Beleuchtung der offiziellen britischen Politik in den Kolonien findet man z. B. bei dem langjährigen Vertreter der englischen Macht in Indien, Lord Roberts of Kandahar, der zur Erklärung des Sepoyaufstandes nichts anderes anzuführen weiß als lauter „Mißverständnisse“ über die väterlichen Absichten der englischen Regenten: „Der Siedelungskommission warf man fälschlicherweise Ungerechtigkeit vor, wenn sie, wie es ihre Pflicht war, die Berechtigung von Landbesitz und auch die Führung von damit verbundenen Titeln kontrollierte, um dann den rechtmäßigen Besitzer eines Grundstücks zur Grundsteuer heranzuziehen ... Nachdem Frieden und Ordnung hergestellt war, mußte der Landbesitz, welcher teilweise durch Raub und Gewalt erlangt war, wie das unter den eingeborenen Regenten und Dynastien die Gewohnheit ist, geprüft werden. Unter diesen Gesichtspunkten wurden Erörterungen angestellt in bezug auf Besitzrecht usw. Das Resultat dieser Untersuchungen war, daß viele Familien von Rang und Einfluß sich einfach das Eigentum ihrer weniger angesehenen Nachbarn angeeignet hatten oder sie zu einer Steuer heranzogen, die ihrem Landbesitz entsprach. Das wurde in gerechter Weise abgeändert. Obwohl diese Maßregel mit großer Rücksicht und in der besten Meinung getroffen wurde, war sie doch den höheren Klassen äußerst unangenehm, während es nicht gelang, die Massen zu versöhnen. Die regierenden Familien nahmen uns die Versuche, eine gerechte Verteilung der Rechte und gleichmäßige Besteuerung des Landbesitzes herbeizuführen, gehörig übel ... Obwohl auf der anderen Seite die Landbevölkerung durch unsere Regierung bessergestellt wurde, kam sie doch nicht zur Erkenntnis, daß wir beabsichtigten, durch alle diese Maßregeln ihre Lage zu bessern.“ (Forty one years in India, Bd. I, deutsche Ausgabe 1904, S. 307.)
4. In den Regierungsmaximen Timurs (1783 aus dem Persischen ins Englische übersetzt) hieß es:
„And I commanded that they should build places of worship, and monasteries in every city; and that they should erect structures for the reception of travellers on the high roads and that they should make bridges across the rivers.
And I commanded that the ruined bridges should be repaired and that bridges should be constructed over the rivulets and over the rivers; and that on the roads, at the distance of one stage from each other, Kauruwansarai should be erected, and that guards and watchers &c. should be stationed on the road, and that in every Kauruwansarai people should be appointed to reside etc.
And I ordained, whoever undertook the cultivation of waste lands, or build an aqueduct, or made a canal or planted a grove, or restored to culture a deserted district, that in the first year nothing should be taken from him, and that in the second year, whatever the subject voluntarily offered should be received, and that in the third year the duties, should he collected according to the regulation.“ (James Mill: The History of British India, Bd. II. 4. Aufl., S. 492–498.)
5. Graf Warren: De l’état moral de la population indigène. Zit. bei: Kowalewski: l. c., S. 164.
6. Historical and descriptive account of British India from the most remote period to the conclusion of the Afghan war by Hugh Marray, James Wilson, Greville, Prof. Jameson, William Wallace and Captain Dalrymple, Bd. II, 4. Aufl., Edinburgh 1843, S. 427. Zit. bei Kowalewski: l. c.
7. Siehe Victor v. Leyden: Agrarverfassung und Grundsteuer in Britisch-Ostindien. In: Jahrbuch für Gesetzgebung, Verwaltung und Volkswirtschaft, XXXVI. Jg., Heft 4, S. 1855.
8. „Presque toujours, le père de famille en mourant recommande à ses descendants de vivre dans l’indivision, suivant l’exemple de leurs aïeux: c’est là sa dernière exhortation et son vœu le plus cher.“ (A. Hanotaux et A. Letourneux: La Kabylie et les coutumes Kabyles, Bd. 1; Droit civil, 1873, S. 468–473.) Die Verfasser bringen es übrigens fertig, die oben wiedergegebene frappante Schilderung des Großfamilienkommunismus mit der folgenden Sentenz einzuleiten: „Dans la ruche laborieuse de la famille associée, tous sont réunis dans un but commun, tous travaillent dans un intérêt général; mais nul n’abdique sa liberté et ne renonce à ses droits héréditaires. Chez aucune nation on ne trouve de combinaison qui soit plus près de l’égalité et plus loin du communisme!“
9. „Wir müssen uns beeilen“, erklärte in der Nationalversammlung 1851 der Abgeordnete Didier als Berichterstatter, „die Geschlechtsverbände aufzulösen, denn sie sind der Hebel jeder Opposition gegen unsere Herrschaft.“
10. Zit. bei: Kowalewski: l. c., S. 217. Bekanntlich ist in Frankreich seit der großen Revolution Mode, jede Opposition gegen die Regierung als offene oder versteckte Verteidigung des „Feudalismus“ zu bezeichnen.
11. Vgl. G.K. Anton: Neuere Agrarpolitik in Algerien und Tunesien. In: Jahrbuch für Gesetzgebung, Verwaltung und Volkswirtschaft, 1900, S. 1341ff.
12. In seiner Rede am 20. Juni 1912 in der französischen Abgeordnetenkammer führte der Berichterstatter der Kommission für die Reform des „Indigenants“ (der administrativen Justiz) in Algerien, Albin Rozet, die Tatsache an, daß aus dem Bezirk Setif Tausende Algerier emigrieren. Aus Tlemcen sind im vergangenen Jahre in einem Monat 1.200 Eingeborene ausgewandert. Das Ziel der Auswanderung ist Syrien. Ein Auswanderer schrieb aus der neuen Heimat: „Ich habe mich jetzt in Damaskus niedergelassen und bin vollkommen glücklich. Wir sind hier in Syrien zahlreiche Algerier, die gleich mir ausgewandert sind und denen die Regierung Grund und Boden bewilligt sowie die Mittel zu seiner Bearbeitung erleichtert hat.“ Die algerische Regierung bekämpft die Auswanderung in der Weise, daß sie – die Pässe verweigert. (Siehe Journal officiel vom 21. Juni 1912, S. 1594 ff.)
l*. Durch Auskauf, meist aber brutale Vertreibung der Bauern durch den Grundherrn wurde das Bauernland zum Herrenland geschlagen. Höhepunkt des Bauernlegens war in England das 15. und 16. Jahrhundert, auf dem Kontinent das 17. und 18. Jahrhundert, wobei die ostelbischen Gebiete Preußens und Mecklenburg besonders betroffen waren.
2*. Die koloniale Eroberung Algeriens, die am 5. Juli 1830 mit der Einnahme Algiers durch französische Truppen begann, stieß auf organisierten Widerstand des algerischen Volkes und konnte erst um die Jahrhundertwende abgeschlossen werden, obwohl bereits am 22. Juli 1834 Algerien zu französischem Besitz erklärt und ein Generalgouverneur eingesetzt worden war.
3*. Die Zadruga war eine Familiengenossenschaft aus mehreren Generationen mit gemeinsamem Besitz an Grund und Boden, Vermögen und Inventar bei den Südslawen bis Ende des 19. Jahrhunderts, der der Hausvater mit unbeschränkter Gewalt vorstand.
4*. Nach dem Einmarsch französischer Truppen am 24. April 1881 in Tunis hatte Frankreich Tunesien den Vertrag von Bardo aufgezwungen, der das Land faktisch zu einem französischen Protektorat machte. Das tunesische Volk antwortete mit einem Aufstand, der nach grausamen Strafexpeditionen im November 1881 von französischen Truppen endgültig niedergeschlagen wurde.
5*. Am 30. März 1912 hatte Frankreich vom marokkanischen Sultan unter dem Druck der Besetzung der wichtigsten Städte des Landes die Unterzeichnung des Vertrages von Fes erzwungen, durch den das französische Protektorat über Marokko errichtet wurde. Dagegen erhoben sich im April und Mai 1912 zahlreiche Araber- und Berberstämme. Französische Truppen schlugen Ende Mai 1912 die Erhebung nieder und besetzten die Küstenebenen.
Zuletzt aktualisiert am 15.1.2012