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1. Die Mittel im Kampf unter individuellen Unternehmen. 2. Die Mittel im Kampf unter Trusts. 3. Die Mittel im Kampf unter staatskapitalistischen Trusts. 4. Die wirtschaftliche Bedeutung der Staatsmacht. 6. Der Militarismus. 6. Die Veränderung der Struktur der Staatsmacht.
Die von uns im vorhergehenden Kapitel untersuchte Zuspitzung der Konkurrenz läuft darauf hinaus, daß das ständige Verschwinden der Konkurrenz unter kleineren Wirtschaftseinheiten eine Verschärfung der Konkurrenz unter größeren Wirtschaftseinheiten hervorruft. Dieser Prozeß führt zu interessanten Veränderungen der Kampfmethoden.
Der Kampf von individuellen Wirtschaften gegeneinander wird gewöhnlich mit Hilfe niedrigerer Preise geführt; kleine Werkstätten verkaufen billiger, die Handwerker senken Ihre Lebenshaltung bis aufs äußerste; Kapitalisten sind bemüht, die Produktionskosten durch technische Verbesserungen und durch Senkung der Löhne herabzudrücken usw. Wird der Kampf zwischen individuellen Unternehmen durch einen Kampf zwischen Trusts abgelöst, so ändern sich die Kampfmittel (soweit dieser Kampf auf dem Weltmarkt erfolgt) in einem gewissen Sinne: auf dem inneren Markt verschwinden die niedrigen Preise; an ihre Stelle treten hohe Preise, die den Kampf auf dem auswärtigen Markt erleichtern; dieser Kampf wird also mit Hilfe von niedrigen Preisen auf Kosten von hohen Preisen im Innern geführt. Die Bedeutung der Staatsmacht nimmt zu: Zölle und Eisenbahntarife werden ausgenützt; die ungeheure Wirtschaftsmacht der Trusts, die nunmehr sowohl auf dem inneren als auch auf dem auswärtigen Markt als Gegner auftreten, erlaubt es ihnen, unter gewissen Umständen auch andere Methoden anzuwenden. Ist ein Trust ein großes gemischtes Unternehmen, besitzt er z.B. Eisenbahnen, Dampfer, Elektrizitätswerke usw., so kann er, da er einen Staat im Staate bildet, seinen Konkurrenten gegenüber eine äußerst komplizierte Politik betreiben, indem er die Eisenbahntarife und Frachten reguliert, die Preise für die Benutzung elektrischer Kraft festsetzt usw. usw. Eine noch wichtigere Rolle spielt die Verhinderung des Zutritts zu Rohstoff- und Absatzmärkten sowie die Entziehung des Kredits. Die Verhinderung des Zutritts zu den Rohstoffen wird hauptsächlich angewandt, wo ein kombiniertes Kartell vorhanden ist. Rohstoffe, die von Unternehmungen erzeugt werden, die dem Kartell angehören, werden „grundsätzlich“ nicht an Außenseiter verkauft (das ist der sogenannte „ausschließliche Verbandsverkehr“) ; was die Absatzmärkte anbetrifft, so verpflichten sich hier die Angehörigen des Kartells, nichts bei Außenseitern einzukaufen; mehr noch: unter dem Druck des Kartells werden auch „dritte Personen“, die regelmäßigen Abnehmer des Kartells zu dieser Verpflichtung gezwungen (es werden ihnen dafür manchmal Prämien ausgezahlt, Preisnachlässe gewährt usw.) Endlich muß die Preissenkung und der Verkauf zu Verlustpreisen erwähnt werden, Methoden, die angewandt werden, um den Konkurrenten zu erdrosseln.
Man will nicht an dem Geschäft selbst verdienen. Der Kampf dient nur der Unterwerfung des Gegners, wird daher ohne Rücksicht auf die eigenen Produktionskosten geführt. Nicht diese bilden die untere Grenze des Preises, vielmehr die Kapitalkräfte und Kreditfähigkeit des Kartells, vielmehr die Frage, wie lange seine Mitglieder einen zunächst gewinnlosen Kampf aushalten können. [1]
Auf dem inneren Markt wird diese Methode angewandt, um den Konkurrenten endgültig abzutöten; auf dem auswärtigen Markt bedeutet sie eine Verschärfung des Dumping. Aber es gibt auch noch viel krassere Beispiele des Kampfes. Wir meinen hier den Kampf unter den amerikanischen Trusts. Hier wird auch der Rahmen des im „Rechtsstaate“ Erlaubten überschritten; Räuberbanden werden angeworben, die Eisenbahnen zerstören und Petroleum-Röhrenleitungen beschädigen und sprengen; Brandstiftungen und Morde kommen vor; Regierungsbeamte, darunter ganze gerichtliche Körperschaften werden direkt und in weitestem Umfange bestochen; Abteilungen eigener Spione im Lager der Konkurrenten werden unterhalten usw. usw.; alles das ist in der Geschichte der Entstehung der modernen Riesenunternehmen Amerikas in Hülle und Fülle zu finden. [2]
Tritt die Konkurrenz endlich in ihr allerhöchstes Stadium, in das Stadium der Konkurrenz unter staatskapitalistischen Trusts, so beginnt die Ausnutzung der Staatsmacht und der Möglichkeiten, die sie bietet, eine gewaltige Rolle zu spielen. Natürlich war der Staatsapparat stets ein Werkzeug in den Händen der herrschenden Klasse des Landes; er trat als ihr „Beschützer“ und „Verteidiger“ auf dem Weltmarkt auf; aber noch nie hatte er eine solche kolossale Bedeutung wie in der Epoche des Finanzkapitals und der imperialistischen Politik. Mit der Bildung von staatskapitalistischen Trusts wird die Konkurrenz fast ausschließlich zur auswärtigen Konkurrenz; es ist klar, daß gerade deshalb die Organe dieses „auswärtigen“ Kampfes bis zum äußersten verstärkt werden müssen, und vor allem die Staatsmacht. Der kapitalistische Sinn hoher Zölle wird noch deutlicher, denn diese Zölle verstärken die Kampffähigkeit der staatskapitalistischen Trusts auf dem Weltmarkt; die verschiedenartigsten Formen des „Schutzes der nationalen Industrie“ werden ausgebaut, Staatslieferungen werden an „nationale“ Firmen vergeben; verschiedenen riskanten aber vom „Standpunkte der Allgemeinheit“ „nützlichen“ Unternehmen werden die Einnahmen garantiert; die Betätigung von „Ausländern“ wird mit allen möglichen Mitteln gehemmt (siehe z.B. die im zweiten Kapitel geschilderte Börsenpolitik der französischen Regierung). Ist von einer Änderung der Handelsverträge die Rede, so tritt die Staatsmacht der vertragschließenden Seiten auf den Plan und vom Kräfteverhältnis dieser Mächte, die letzten Endes durch das Verhältnis ihrer militärischen Kräfte bestimmt wird, hängen die Ergebnisse dieses Vertrages ab; taucht die Frage des Abschlusses einer Anleihe oder der Gewährung eines Kredits an irgendein Land auf, so sichert sich die Regierung, hinter der militärische Macht steht, die höchsten Zinsen und Bestellungen, bedingt sich Konzessionen aus und kämpft gegen die ausländischen Konkurrenten. Beginnt der Kampf um die finanzkapitalistische Ausbeutung eines formell noch von niemanden besetzten Gebietes, so hängt es von der militärischen Macht der Staaten ab, wem dieses Land zufällt. In „Friedenszeiten“ bleibt der staatlich-militärische Apparat hinter den Kulissen, wo er sich aber keineswegs ruhig verhält; in Kriegszeiten tritt er in der unmittelbarsten Art und Weise auf den Schauplatz. Je zugespitzter die Lage auf dem internationalen Kampfplatz ist – und unsere Epoche wird ja durch die höchste Anspannung der Konkurrenz unter den finanzkapitalistischen „nationalen“ Gruppen gekennzeichnet –, um so häufiger wird die gepanzerte Faust der Staatsmacht aufgerufen. Die Überbleibsel der alten Ideologie des laissez faire, laissez passer [3] verschwinden, eine Epoche eines „neuen Merkantilismus“, der Imperialismus bricht an.
Das Streben zum Imperialismus vereinigt Erscheinungen der Wirtschaft und eine große politische Macht. Alles wird in großem Umfange organisiert. Die freie Bewegung der wirtschaftlichen Kräfte, die noch vor kurzem Denker und Praktiker fesselte, stirbt ab. Überall erfolgt eine Ebbe und Flut der Auswanderung, und dieser Prozeß verläuft unter Beobachtung des Staates. Die neuen wirtschaftlichen und sozialen Kräfte brauchen den mächtigen Schutz des Staates innerhalb des Landes und außerhalb seiner Grenzen. Der Staat schafft zu diesem Zwecke neue Organe, stellt zahlreiche Beamte an und gründet neue Behörden. Der Inhalt der Tätigkeit des Staates wird durch immer neue Funktionen bereichert. Auch ihr Einfluß auf das innere Leben und auf die auswärtigen Beziehungen wird vielfältiger. Die Regierung verzichtet nicht darauf, die Interessen ihres Volkes [das Wort „Volk“ ist natürlich bei der Lektüre bürgerlicher Nationalökonomen bedingt aufzufassen. N.B.] unmittelbar wahrzunehmen, ganz gleich auf welchem Punkte der Erde diese Interessen in Erscheinung treten. Volkswirtschaft und Politik verschmelzen auf das innigste miteinander. Der Bruch mit der Epoche des alten Liberalismus, mit der Propaganda des freien Verkehrs, mit der Lehre von der Harmonie der Interessen wird immer schärfer; das läßt darauf schließen. daß mehr Grausamkeit und mehr kriegerischer Geist in der Welt herrschen. Die Welt wird einheitlicher als früher. Alle stehen hier miteinander in Berührung, alle beeinflussen sich gegenseitig, und zu gleicher Zeit stoßen die einen die andern und versetzen ihnen Schläge. [4]
Wächst die Bedeutung der Staatsmacht im allgemeinen, so tritt doch der Ausbau ihrer mi1itärischen Organisation, des Heeres mit der Flotte, ganz besonders kraß in Erscheinung. Der Kampf unter den staatskapitalistischen Trusts wird in erster Linie durch das Verhältnis ihrer militärischen Machtmittel entschieden, denn die militärische Macht eines Landes ist die letzte Instanz, an die die kämpfenden „nationalen“ Kapitalistengruppen appellieren. Der Staatshaushalt steigt ganz gewaltig, und ein immer größerer Teil davon wird für Ausgaben zum Zwecke der „Landesverteidigung“ aufgewandt, wie die Ausgaben für die Militarisierung euphemistisch genannt werden.
Die nachstehende Tabelle zeigt die ungeheuerliche Zunahme der Ausgaben für militärische Zwecke und ihren Anteil im Staatshaushalt der verschiedenen Staaten.
Ausgaben für Heer und Flotte [5] |
||||||||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Staaten |
Jahr |
Militär- |
Alle |
Militär- |
Jahr |
Militär- |
Alle |
Militär- |
England |
1875 |
16,10 |
41,67 |
38,6 |
1907/08 |
26,42 |
54,83 |
48,6 |
Frankreich |
1875 |
15,23 |
52,71 |
29,0 |
1908 |
24,81 |
67,04 |
37,0 |
Österreich- |
1873 |
5,92 |
22,05 |
26,8 |
1908 |
8,49 |
37,01 |
22,8 |
Italien |
1874 |
6,02 |
31,44 |
19,1 |
1907/08 |
9,53 |
33,24 |
28,7 |
Rußland |
1877 |
5,24 |
15,14 |
34,6 |
1908 |
7,42 |
20,81 |
35,6 |
Japan |
1875 |
0,60 |
3,48 |
17,2 |
1908 |
4,53 |
18,08 |
25,1 |
Deutschland |
1881/82 |
9,43 |
33,07 |
28,5 |
1908 |
18,44 |
65,22 |
28,3 |
Vereinigte |
1875 |
10,02 |
29,89 |
33,5 |
1907/08 |
16,68 |
29,32 |
56,9 |
Die gegenwärtige Höhe der Heeresetats beträgt: in den Vereinigten Staaten (1914) – 173.522.804 Dollar für die Armee und 139.682.186 Dollar für die Flotte, insgesamt 313.204.990 Dollar, in Frankreich (1913) 983.224.376 Franken für die Armee und 467.176.109 Franken für die Flotte, insgesamt 1.450.400.485 Franken (im Jahre 1914 1.717.203.233 Franken); in Rußland (1913 und nur die ordentlichen Ausgaben) 581.099.921 Rubel für die Armee und 244.846.500 Rubel für die Flotte, insgesamt 825.946.421 Rubel, in Großbritannien (1913/14) – 28.220.000 Pfund für die Armee und 48.809.300 Pfund für die Flotte, insgesamt 77.029.300 Pfund; in Deutschland (1913: ordentliche und außerordentliche Ausgaben) 97.845.960 Pfund Sterling usw. [6]
Wir leben jetzt in einer Zeit eines ganz außerordentlichen Rüstungsfiebers; es wird zu Lande und zur See und in der Luft gerüstet. Jede Vervollkommnung der Kriegstechnik führt zu einer Reorganisierung und zu einem Umbau des militärischen Mechanismus; jede neue Maßregel und jede Vergrößerung der militärischen Macht eines Staates ruft alle anderen auf den Plan. Wir sehen hier dieselbe Erscheinung wie auf dem Gebiete der Zollpolitik, wo jede Erhöhung der Zollsätze in einem Staate sofort auf die anderen zurückwirkt und zu einer allgemeinen Erhöhung führt. Natürlich liegt hier nur ein Sonderfall des Prinzips der Konkurrenz vor, denn die militärischen Machtmittel eines staatskapitalistischen Trusts stellen eine Waffe für seinen wirtschaftlichen Kampf dar. Die Zunahme der Rüstungen erzeugt eine Nachfrage nach den Produkten der Hüttenindustrie und erhöht deshalb wesentlich die Bedeutung der Schwerindustrie und insbesondere der Kanonenkönige à la Krupp. Es wäre aber vulgär, wollte man behaupten, daß die Kriege durch die Rüstungsindustrie hervorgerufen würden. [7] Diese ist keineswegs ein ganz besonderer Industriezweig, ein künstlich erzeugtes „Übel“, das selbst „Völkerschlachten“ hervorruft. Aus unserer ganzen Darlegung geht hervor, daß die Aufrüstung ein notwendiges Attribut der Staatsmacht ist, das im Kampfe unter den staatskapitalistischen Trusts eine ganz bestimmte Funktion ausübt. Eine kapitalistische Gesellschaft ist ohne Rüstungen ebenso undenkbar wie ohne Kriege. Und ebenso wie nicht die niedrigen Preise die Konkurrenz hervorrufen, sondern umgekehrt die Konkurrenz niedrige Preise erzeugt, so ist auch das Bestehen der Armeen nicht die Hauptursache und die Triebkraft der Kriege (wen auch natürlich Kriege ohne Armeen undenkbar sind), sondern umgekehrt: das Bestehen der Armee ist dadurch bedingt, daß wirtschaftliche Konflikte unausbleiblich sind. Aus diesem Grunde erleben wir heute in einer Zeit, in der die wirtschaftlichen Konflikte einen Zustand der höchsten Spannung erreicht haben, auch einen Hexensabbat der Rüstungen. Die Herrschaft des Finanzkapitals setzt somit Imperialismus und Militarismus voraus. In diesem Sinne ist der Militarismus eine ebenso typische geschichtliche Erscheinung wie das Finanzkapital selbst.
Mit der gesteigerten Bedeutung der Staatsmacht ändert sich auch ihre innere Struktur. Die Staatsmacht wird in einem größeren Maße als je zum geschäftsführenden Ausschuß der herrschenden Klassen. Sie hat natürlich stets die Interessen der „Oberschichten“ vertreten. [8] Aber da diese Oberschichten selbst eine ziemlich formlose Masse darstellten, stand der organisierte Staatsapparat einer unorganisierten Klasse (oder unorganisierten Klassen) gegenüber, deren Interessen er vertrat. Jetzt haben sich die Dinge radikal geändert. Der Staatsapparat verkörpert gegenwärtig nicht nur die Interessen der herrschenden Klassen im allgemeinen, sondern auch ihr ihren kollektiv entstandenen Willen. Ihm stehen nicht mehr vereinzelte Mitglieder der herrschenden Klassen gegenüber, sondern ihre „Organisationen„. Die Regierung wird somit de facto zu einem „Ausschuß“, der durch die Vertreter der Unternehmerorganisationen gewählt wird. Sie wird zur obersten Leitung des staatskapitalistischen Trusts. Das ist eine der Hauptursachen der sog. Krise des Parlamentarismus. Früher war das Parlament der Schauplatz des Kampfes unter den verschiedenen Fraktionen der herrschenden Klassen (der Bourgeoisie und der Grundbesitzer, der Schichten der Bourgeoisie untereinander). Das Finanzkapital hat fast alle Schattierungen der Bourgeoisie zu einer „einheitlichen reaktionären Masse“ vereint, die in zahlreichen zentralisierten Organisationen zusammengeschlossen ist. Andererseits treten an die Stelle der „demokratischen“ und „liberalen“ Stimmungen die klar ausgeprägten monarchistischen Tendenzen des modernen Imperialismus, der an einer staatlichen Diktatur äußerst interessiert ist. Das Parlament stellt gegenwärtig zu einem großen Teile lediglich eine Dekoration dar. Hier werden die schon vorher in den Unternehmerorganisationen gefaßten Beschlüsse bestätigt; der kollektive Wille der gesamten vereinten Bourgeoisie wird hier nur noch formell sanktioniert. Das Ideal einer „starken Staatsmacht“, die sich auf ein gewaltiges Heer und eine gewaltige Flotte stützt, das ist das Ideal des modernen Bourgeois. Das sind keineswegs „Überreste des Junkertums“, wie manche glauben. Das sind keine Trümmer der Vergangenheit, zufällige überlebende Zeugen alter Zeiten. Das ist eine ganz neue sozialpolitische Erscheinung, die durch die Entwicklung des Finanzkapitals hervorgerufen wird. Wenn die alte „Blut- und Eisenpolitik“ der Junker hier auch als formales Muster dienen konnte, so nur insoweit, als die Triebkräfte des modernen Wirtschaftslebens das Kapital in die Bahnen einer aggressiven Politik und einer Militarisierung des gesamten „gesellschaftlichen Seins“ drängen. Der beste Beweis dafür ist nicht nur die auswärtige Politik der „demokratischen“ Länder, wie England, Frankreich, Belgien (siehe die belgische Kolonialpolitik), der Vereinigten Staaten, sondern auch die Wandlungen, die sich in ihrer inneren Politik vollziehen (die Militarisierung und das Wachstum des Monarchismus in Frankreich, die Versuche, die Freiheit der Arbeiterorganisationen in diesen Ländern zu beschränken usw. usw.).
Als der größte Teilhaber des staatskapitalistischen Trusts ist der moderne Staat seine höchste und umfassendste Instanz. Daraus entspringt seine gewaltige, fast ungeheuerliche Machtfülle.
1. Siehe Fritz Kestner, Der Organisationszwang. Eine Untersuchung über die Kämpfe zwischen Kartellen und Außenseitern. Berlin 1912. Über Kestner siehe auch bei Hilferding, Organisationsmacht und Staatsgewalt, Neue Zeit, 32. Jahrg., Bd.2.
2. Siehe Lafargue: Die amerikanischen Trusts. Wasarewski, a.a.O. Siehe auch G. Meyers History of the great american fortunes. Der Report of the (New York) Legislative Insurance Committee von 1906 sagt: „Es ist ganz klar, daß die großen Versicherungsgesellschaften es versucht haben, sich die Gesetzgebung dieses (New York) und anderer Staaten zu unterwerfen. ... Diese Gesellschaften haben das Land untereinander verteilt ... um so größeren Schwierigkeiten zu entgehen, denn so bearbeitete jede nur ihren Bezirk.“ Meyers schreibt dazu: „Großartig! Sogar die Bestechung wird wie die Industrie in ein System gebracht und modernisiert!“ Derselbe Bericht führt folgende Zahlen an: 1904 gab The Mutual 364.254.000 Dollar für Bestechungszwecke aus, Equitable 172.698.000 und New York 204.019.000 (Bd.III, S.270).
3. Laßt jeden tun, was er will; oder: Laßt den Dingen ihren Lauf. D. Übers.
4. Prof. Issajew. a.a.O., S.261 u. 262.
5. Nach O. Schwarz: „Finanzen der Gegenwart“ im Handwörterbuch der Staatswissenschaften. Es muß bemerkt werden, daß die Zahlen für Deutschland und Österreich, die die Tabelle angibt, falsch sind, da die außerordentlichen und einmaligen Ausgaben hier nicht berücksichtigt sind; bei den Zahlen für die Vereinigten Staaten sind die „Zivilausgaben“ der Einzelstaaten nicht mitgerechnet, so daß die Steigerung (von 33,5 auf 66,0) höher ist als in Wirklichkeit.
6. Die Zahlen sind The Statesman’s Year-Book 1915 entnommen.
7. Siehe z.B. das erwähnte Buch von Pawlowitsch. Eine noch plattere Spielart dieser Theorie liefert kein anderer als Kautsky, wenn er behauptet (siehe: Nationalstaat, imperialistischer Staat und Staatenbund und auch viele Artikel in der Neuen Zeit aus der Kriegszeit), daß der Krieg durch die ... Mobilmachung hervorgerufen worden sei. Das heißt, tatsächlich, die Dinge auf den Kopf stellen.
8. Das geben auch einige bürgerliche Soziologen und Nationalökonomen zu, wie z.B. Franz Oppenheimer, der im Staate die Organisation der die Produktionsmittel (vor allem den Grund und Boden) besitzenden Klassen zur Ausbeutung der Volksmassen sieht. Seine Formel nähert sich in gewissem Maße der Theorie des Marxismus, wobei Oppenheimer diese freilich bedeutend verschlechtert (die Betonung mit „Grund und Boden“ usw.). Es ist interessant festzustellen, daß eine solche Autorität der deutschen Soziologie und Nationalökonomie, wie Adolf Wagner, die Charakteristik Oppenheimers in bedeutendem Maße annimmt, sie aber auf den „historischen“ (!) Staat bezieht. Siehe seinen Artikel Der Staat in nationalökonomischer Hinsicht, Handw. der Staatsw., Bd.VII, 3.Aufl., S.731.
Zuletzt aktualisiert am 11.10.2003